Openings

Eines bleibt in Wien immer gleich: dass sich ständig etwas ändert, es permanent Neuigkeiten gibt, vor allem am gastronomischen Sektor. Folgende Neueröffnungen haben es uns besonders angetan.

Text – Florian Holzer

Zum Schwarzen Kameel Beletage. Spitzenkoch Werner Pichlmaier
zelebriert hier eine ungekünstelte Küche auf hohem Niveau

ZUM SCHWARZEN KAMEEL BELETAGE

1010 Vienna, Bognergasse 5/1st Floor
tel.: +43 (0)1 533 81 25-11
Tue–Sat 12–2:30 pm, 5:30–12 am
schwarzeskameel.at

Das Schwarze Kameel zählt zu den wenigen Lokalen Wiens, die man als „Klassiker“ bezeichnen könnte. Was nicht nur an seinem definitiv historischen Gründungsjahr 1618 liegt, sondern auch an der hier seit jeher liebevoll gepflegten Wiener Küche, am korrekten Service und natürlich am Interieur, das 1901 im damaligen Jugendstil gestaltet wurde – mit Lampen nach Entwurf der Wiener Werkstätten, mit Raumtrennern mit filigranen Holzintarsien, mit Fresken von Karl Mayreder und den für die unverwechselbare Kameel-Atmosphäre so wesentlichen Wandfliesen. Nicht zu kopieren, würde man meinen, allerdings wurde genau dieses Ensemble nun im ersten Stock des Schwarzen Kameel, bisher als Veranstaltungsraum genutzt, detailgetreu nachgebildet und damit das neue Restaurant „Beletage“ erschaffen. Man muss sagen: Die Vorstellung, dass es dieses Restaurant nicht schon seit 120 Jahren gibt, erscheint eigenartig, das Interieur natürlich gewachsen,
absolut authentisch. Bei der Ausrichtung der Küche seines neuen Prunkstücks ging Patron Peter Friese allerdings einen anderen Weg und lässt die unverzichtbaren Kameel-Klassiker wie den auf der Zunge zergehenden und nach Geheimrezept hergestellten Beinschinken, das Kalbsgulasch, Rieslingbeuscherl oder die Hechtnockerl nicht nur mit einer Prise Haute Cuisine aufwerten. Küchenchef Werner Pichlmaier stellt diesen nun etwas modernisierten Ikonen auch eine zeitgenössische, sehr an Gemüse und Saisonalität orientierte Karte gegenüber. Sagen wir so: Die Entscheidung zwischen Tafelspitz mit Knochenmark-Brot und seinen klassischen Beilagen oder dem rosa gebratenen Rehfilet mit Pilzen, Holler und inspirierendem Curry fällt nicht leicht …

PAUL & WORTHMANN

1180 Vienna, Kutschkermarkt 11 & 48,
tel.: +43 (0)664 996 56 486, Mon–Fri 12–10 pm,
Sat 9:30 am–10 pm, paulundworthmann.at

Noch einmal Markt, diesmal aber einer, der sich schon seit Jahrzehnten großer Beliebtheit erfreut, in den letzten Jahren allerdings besonders. Denn da erlebte der bis dahin eigentlich recht kleine, unscheinbare Straßenmarkt in Wiens Nobel-Bezirk Währing eine besondere Renaissance: Irene Pöhl, eine der Stand-Betreiberinnen, setzte konsequent auf edelste Delikatessen die man auf Wiens Märkten so kaum bekam, und installierte einen kleinen Snack-Stand. Der Fischhändler Suat Takan war mit seinem kleinen, fröhlichen Fisch-Imbiss der nächste, es folgten Wiens am besten sortierter Fleischhauer Tanis und noch viele mehr – der kleine Vorstadtmarkt wurde zum stimmungsvollen Gourmet Treffpunkt. Nun wollten sich die Nachfolger von Irene Pöhl aber ganz auf den Feinkosthandel konzentrieren und Suat Takan nutzte die Gelegenheit, seinen Fisch-Imbiss ein paar Meter entfernt neu, größer und moderner aufzuziehen. Das heißt, auf einmal standen zwei hübsche Imbiss-Stände im Kerngebiet des lebendigen Markts zur Verfügung, das ließen sich der Gastro-Consulter- und Bar-Spezialist Paul Rittenauer und sein Compagnon, Investor David Worthmann, nicht entgehen: Die beiden Stände wurden zu einem Ensemble verbunden, im einen gibt’s Cocktails, Aperitivo und natürlich den am Kutschkermarkt eigentlich unverzichtbaren Prosecco, im größeren Stand wird in einer Mini-Küche moderne, außergewöhnliche Markt-Küche abseits ausgetretener Pfade zubereitet. Karottensuppe mit Madras-Curry und argentinischer Rotgarnele etwa, Venusmuscheln mit Schweinsschopf oder rohe Regenbogenforelle in Buttermilch-Marinade mit geräuchertem Olivenöl. Da geht man doch gerne auf den Markt, auch wenn man gar nicht einkaufen will …

das weinberg

1180 Vienna, Thimiggasse 11, tel.: +43 (0) 664 439 08 37,
Mon, Thu 5–11 pm, Fri, Sat 12–11:30 pm
dasweinberg.at

Als das Gourmet-Gasthaus Freyenstein 2008 in einem alten Gersthofer Beisl aufmachte, war die gastronomische Situation in der Vorstadt noch eine andere, die kulinarischen Spitzenleistungen blieben rar. Das Lokal – heute würde man das Konzept als „Bistronomy“ bezeichnen – war der Pionier, 16 Jahre später zählt Währing zu den interessanten Gastronomie-Destinationen in Wien. Nachdem das Freyenstein im Jänner aber zumachte und Raumdesignerin Sandra Apflauer sowie Gastronom Marcus Doller (sowie deren Hündin Shiva, sie ist quasi Gastgeberin) ohnehin schon lange nach einem eigenen Lokal suchten, fügte sich das gut zusammen. Drei Monate wurde umgebaut und das urige Gemäuer modernisiert, das Salettl im traumhaften Garten als Veranstaltungsraum ausgebaut, für die Küche wurden die Routiniers Sven Wenig und Alexander Mark – feingliedriger Gourmet-Koch der eine, Freund der neu interpretierten Hausmannskost der andere – angeheuert. Die Linie kann man als klassisch Wienerisch mit kreativem Pfiff bezeichnen, das fängt etwa mit exzellent Balsamico-abgeschmeckten Beluga-Linsen mit Pastrami oder einem köstlichen Erbsen-Gazpacho mit luftigem Topfenknöderl an. Hauptspeisen kann man in zwei Größen bekommen, das ist sowohl für Einzelgäste praktisch, die ein bisschen was probieren wollen, als auch ermöglicht es das beliebte „Sharing“ mehrerer Gerichte in größerer Runde. Exzellent das Beuschel vom Kalbsherz mit gebeiztem Eigelb und Topfen-Serviettenknödel, der ofenfrische Knusperbraten mit Speckkrautsalat und BrezenknödelSoufflé auch extrem gut und im Sinne der neu interpretierten Wiener Küche gelungen.

T’AVERNA

1080 Vienna, Albertgasse 49, tel.: +43 (0) 448 00 00
Sun, Tue–Thu 4 pm–12 am, Fri, Sat 4 pm–1 am
t-averna.bar

Andreas Flatscher kennt man in Wiens Lokalszene: Zwölf Jahre lang war er mit seinem Bierlokal „Wäscherei“ erfolgreich, dann eröffnete er das „Flatscher’s“ und damit das erste so richtig an amerikanischen Vorbildern ausgerichtete Steak-Lokal. Es folgten ein Bistro sowie ein Imbiss-Lokal mit äußerst ausgefeiltem Konzept (das an die Erfolge der anderen Lokale aber nicht heranreichte). Dann verkaufte er das alles, zog sich aufs Land zurück, wo er ein paar Jahre im Weinviertler Weinbau-Städtchen Retz einen „etwas anderen“ Imbiss-Wagen betrieb. Nun ist Andreas Flatscher aber wieder da, und zwar in seiner ehemaligen „Wäscherei“, die er zu einer italo-amerikanischen Grill-Bar namens T’Averna machte. Warum T’Averna? Weil Flatscher den sizilianischen Amaro gerne mag und weil es Averna hier in so zahlreichen Cocktail-Versionen und Interpretationen gibt wie sonst wohl nirgendwo sonst in Wien. In Triest verliebte er sich außerdem in die dortigen, stets ein bisschen deftigen Cichetti, kleine Brötchen um wenig Geld mit würzigem Belag wie Mortadella, Prosciutto, Nduja, Salsiccia, Baccala Mantecato oder Artischockencreme, der unkomplizierte Snack zum Glas Bier (Stella Artois, ohne Kohlensäuredruck aus dem Fass gepumpt, daher extrem süffig) oder eben zum Aperitivo-Drink. Der Rest des Konzepts wirkt sehr viel amerikanischer, die ganz spezielle Atmosphäre der Einwanderer-Lokale in Little Italy, auf Coney Island oder in Queens waren es auch, die er als Vorbild wählte. Frank Sinatra & Co groonen, zwischen Restaurant- und Bar Bereich herrscht emsiges Treiben der Kellner, es gibt Steak, Spaghetti Carbonara, Pesce alla Nonna und Cioppina, den SeafoodEintopf der italienischen Fischer von San Francisco.

MARKTEREI

1090 Vienna, Severingasse 7
Fri 2–9 pm, Sat 9 am–6 pm
markterei.at

Das, was die so genannten „Foodies“ immer schon wussten, erreichte nach dem Millennium auch die Mitte der Gesellschaft: Nämlich die Erkenntnis, dass Märkte die lebendigsten, interessantesten und köstlichsten Plätze einer Stadt sind. Vor diesem Hintergrund begann der Unternehmer Thomas de Martin 2015 damit, seine „Markterei“ zu organisieren – eine Art Pop up-Delikatessenmarkt an so ungewöhnlichen Orten
wie einer alten Post-Zentrale, wo interessierte Konsumenten einerseits unmittelbar von ambitionierten Herstellern kaufen und Informationen über deren Produkte bekommen konnten, mit Steetfood und DJ aber stets auch ein bisschen Party-Feeling mitschwang. Ein paar Jahre suchten de Martin und sein Team nun nach einer neuen Location, und das, was sie fanden, ist nichts anderes als sensationell: Das ehemalige Wasserbaulabor der Technischen Universität, riesige Hallen, in denen Wellengang und Strömungsverhalten simuliert werden konnten. Generatoren und Becken sind zwar weg, die faszinierende Techno-Atmosphäre blieb der Halle aber durchaus erhalten. Mit dem Unterschied, dass hier nun jedes Wochenende handgebraute Craft-Biere, Wiener Landschaftshonig, nach alter Tradition gebackenes Sauerteigbrot oder sogar in der Steiermark in Hallen gezüchtete Wolfsbarsche und Garnelen zu bekommen sind. Das Einkaufen wird hier somit zum Event, und zwar nicht nur, weil es natürlich immer auch ein paar lässige Snacks, Drinks und die Markterei-übliche Day-Party-Stimmung gibt, sondern weil einen die unmittelbare Erfahrung dieser außergewöhnlichen Delikatessen einfach nicht kalt lassen kann.

TAQUERIA LA VENTANA

1020 Vienna, Ferdinandstraße 2/1/4, Wed–Sat 5–11 pm
laventana.at

Das Thema Tacos nahm in Wien in den vergangenen Monaten einigermaßen Fahrt auf, muss man sagen. Einer der schillerndsten Prtotagonisten ist Georg Schmidgruber, eigentlich Marketing-Manager im Software-Bereich, der während der Corona-Lockdowns auf die originelle Idee kam, hausgemachte, köstliche Tacos auf Instagram zu bewerben und sie an Interessenten in einem Korb aus seinem Fenster abzuseilen – bezahlt wurde freiwillig, der Erlös wurde gespendet, der Name „Taqueria La Ventana“ (auf deutsch: Das Fenster) lag auf der Hand. In den Folgejahren trat Schmidhuber dann noch bei diversen Sommer-Pop ups auf, irgendwann stand aber fest: Eine fixe Location muss her, und zwar im Idealfall in der Gegend, in der aktuell eigentlich alle sein wollen – die Praterstraße. Er hatte das Glück, eine kleine Pizzeria übernehmen zu können, besorgte sich Mais und eine Maisteig-Mühle aus Mexiko, um seine Tortillas nach traditioneller „Nixtamalisation“-Methothe – die Maiskörner werden über Nacht in einer Kalklösung eingeweicht, das erschließt die Nährstoffe besser und sorgt für besseren Geschmack – herzustellen. Und auch die Füllungen können sich sehen lassen: „Lengua“ zum Beispiel, geschmorte Rinderzunge mit Zwiebel und Koriander, „Al Pastor“ mit Chili-mariniertem Bauchfleisch vom Waldviertler Bio-Schwein vom mexikanischen Drehgrill „Trompo“, oder „Cochinita Pibil“, Achiote-mariniertes Veganfleisch und roten Zwiebeln. Die göttlichen Saucen dazu sind selbstgemacht, man nimmt welche und so viel man will, Biere dazu stehen im Kühlschrank zum Selbernehmen, die Frozen Margarita – wenn schon Streetfood-Style, dann aber wirklich – kommt aus der Slush-Maschine. Reserviert werden kann nicht, aber auch Anstellen ist hier lustig.